News August 2015
Hier geht es zur kompletten Ausgabe News August 2015
Frau Dr. Schmid Siegel hat bei der Interdisziplinären Fortbildung in Innsbruck am 13. Mai in ihrem spannenden Vortrag Einblicke gegeben in die verschiedenen Formen der psychischen Erkrankungen vor und nach der Geburt und die Möglichkeit einer bindungsfördernden Behandlung aufgezeigt. Die Peripartale Psychiatrie ist ein wichtiger Spezialbereich der Psychiatrie mit über die Regelbehandlung hinausgehender Spezifität und Spezialisierung. Der Bedarf an multiprofessioneller, interdisziplinärer und interinstitutioneller Zusammenarbeit ist ganz stark gegeben. Frau Dr. Schmid-Siegel ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie an der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie Station 4 A1 am AKH Wien, wo psychisch kranke Mütter und ihre Kinder gemeinsam aufgenommen werden können, häufig mit einer Betreuungsperson. Im Sinne einer effizienten Behandlung arbeitet Frau Dr. Schmid-Siegel mit mehreren Bereichen zusammen, die Mütter betreuen, z.B. auch mit Dr. Marianne Wiener-Withalm, Ärztin und Psychotherapeutin an der Psy chosomatischen Ambulanz im SMZ Süd und mit Anita Schoberlechner, IBCLC, Diplomsozialarbeiterin bei der Kinder- und Jugendhilfe Wien. Um das Ziel – eine kompetente Mutter mit ihrem Kind – zu erreichen wäre es von Vorteil, dass bei auffälligen Frauen die Betreuung bereits in der Schwangerschaft anläuft, dann während der Geburt und natürlich auf der Wochenstation fortgesetzt wird und auch nach der Entlassung durch verschiedene Angebote wie Mutter- Kind Gruppen im Wohnbezirk, Stillgruppen, Caritas Familienhelferinnen oder z.B. auch einer Nachbetreuung in einer Spezialambulanz für Psychotherapie fortgesetzt wird. Dies kann nur funktionieren, wenn alle, die die Frau betreuen, gut zusammenarbeiten. Die Peripartale Psychiatrie hat einen hohen Betreuungsaufwand. Es ist ein großer Vorteil, dass am AKH Wien auf der psychiatrischen Station eine Aufnahme von Mutter/Vater und Kind möglich ist. Denn eine bindungsfördernde Behandlung ist ein präventiver Entwicklungsfaktor für die Kinder. Was braucht die Mutter? Frau Dr. Schm id.Siegel betont, dass es bei einer stationären Aufnahme im Rahmen einer psychischen Erkrankung vor allem wichtig ist, die Mutter zu bemuttern. Außerdem ist es nötig, die Angehörigen einzubeziehen, damit die Mutter von allen Seiten unterstützt wird. Um die Mutter zu erreichen, spricht Frau Dr. Schmid-Siegel gern mit dem Kind, diese einfache Sprache verstehen auch Mütter in dieser Ausnahmesituation. Die verschiedenen Formen von psychischen Erkrankungen Eine postpartale Psychose kommt nur bei 1 Promille der Mütter vor, hingegen treten Depressionen bei 10-15% auf, aber nur 1-2% davon sind behandlungsbedürftig. Angsterkrankungen, Zwangserkrankungen und Posttraumatische Belastungsreaktionen kommen bei 1-10% der Mütter vor. Daneben gibt es auch Mutter- Kind-Beziehungsstörungen bei 1% der Mütter. Besonders gefährdet sind Frauen mit vorbestehender psychischer Erkrankung. Der Babyblues Der Babyblues ist eine häufige Erscheinung, er kommt in unserer Gesellschaft bei 50-80% der Mütter vor. Dauert er länger als 10 Tage o der ist er sehr stark, ist dies ein Risikofaktor für eine Depression. Postpartum Depression Diese beginnt meist nach 6-12 Wochen. Um eine PPD zu erkennen, kann die EPDS Edinburgh Postnatal Depression Scale herangezogen werden. Wichtig ist, dass die Mutter eine Gesprächsmöglichkeit bekommt, bzw. dass eine Überweisung zu Psychiatrie und Psychotherapie erfolgen kann. Risikofaktoren für eine PPD sind frühere psychische Erkrankungen, eine traumatische Geburt, Psychosoziale oder hormonelle Faktoren. Eine PPD tritt auch bei Vätern auf. Um einen Erfolg in der Behandlung zu erzielen, muss sofort eine soziale Unterstützung organisiert werden, sei es durch den Vater, durch Großmütter oder eine Caritas Familienhelferin. Die Mutter braucht unbedingt ausreichend Schlaf, daher ist es meistens nötig, das Baby in der Nacht vom Vater oder einer anderen Betreuungsperson versorgen zu lassen. Daneben können Mutter-Kind-Gruppen oder Selbsthilfegruppen helfen. Wenn das nicht reicht, dann gibt es auch das Angebot der Psychotherapie oder der Psychoedukativen Gruppentherapie. Und natürlich gibt es auch wirksame Medikamente, die bei stillenden Müttern natürlich mit großer Sorgfalt ausgesucht werden sollten. Mutter-Kind Interaktionsstörungen Sie treten nur bei 1% der Mütter ohne akute psychische Erkrankung auf, jedoch bei 29% der Mütter mit PPD. Dabei gibt es unterschiedliche Schweregrade, es kann bis zur Kindesgefährdung gehen. Bei einer Depression kann die Fähigkeit vermindert sein, die Signale des Säuglings zu lesen, damit können Mütter auch nicht mehr affektiv darauf reagieren. Die emotionale Bandbreite dieser Mütter ist eingeschränkt, dadurch ist die „Antwort“ des Säuglings auch vermindert. Depressive Mütter erkennen ihre Defizite und haben Schuldgefühle deswegen. Zum Vergleich Hat ein Kind eine sichere Bindung beruhigt es sich im Körperkontakt mit seiner Mutter, sein hormoneller Stresspegel sinkt und es fühlt sich nach einer Weile wieder glücklich und zufrieden. Ist die Mutter jedoch psychisch krank, so über trägt sich diese Angst und Verwirrung auch auf den Säugling. Wenig Kontakt führt zu Gefühlen von Entfremdung und nicht geliebt zu werden. wenn mit ihm wenig gespielt wird, so erlebt es das Gefühl der Freude seltener. Der Protest des Kindes führt zu Wut der Mutter, was zu Frustrationen bei beiden führt. Die Erfahrungen in dieser Lebensphase des Kindes sind für seine Entwicklung sehr prägend. Psychotische Erkrankungen in der Schwangerschaft und postpartum Wenn bei einer Schwangeren bereits eine psychotische Erkrankung auftritt, dann sollte die Geburt möglichst in einem Krankenhaus mit Geburtshilfe, Psychiatrie und Neonatologie erfolgen. Die Geburtshilfliche Station sollte zeitgerecht über die Erkrankung der Patientin sowie deren Medikation und Dosierung informiert werden. Die Fähigkeit, das Kind adäquat versorgen zu können ist bei psychotischen Müttern eingeschränkt, ebenso die Bindungs- und Erziehungsfähigkeit. Die Mutter kann entweder total passiv und antriebslos sein oder sie hat auf das Kind bezogene Wahnvo rstellungen und reagiert völlig inadäquat auf ihr Kind. Stillen bei psychischen Erkrankungen Unbedingt sollte bereits in der Schwangerschaft die Frage des Stillens geklärt werden. Stillen mit all seinen positiven Effekten für die Gesundheit von Mutter und Kind und für die emotionale und kognitive Entwicklung des Kindes ist immer ein Gewinn. Aber für psychisch kranke Mütter muss der Stress unbedingt reduziert werden und sie brauchen ungestörten Nachtschlaf. Deswegen ist die gemeinsame Aufnahme mit den Vätern nötig und zu Hause eine Unterstützung von allen Seiten. Außerdem muss die Medikation gut überlegt und durchdacht werden.