News Sommer 2021
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Mit ausgewählten Fallbeispielen zeigt uns Christa Herzog, IBCLC mit langjähriger Praxis, beim VSLÖ-Webinar Mitte März 2021 den Facettenreichtum in der Stillberatung. Die Namen in den Fallbeispielen sind frei erfunden:
1) Fr. Omlin erwartet ihr sechstes Kind. Sie kommt in der 28. Schwangerschaftswoche ambulant zur Stillberatung. Die Areolen erscheinen trocken, offene Stellen sind sichtbar, welche nach ca. 10 Minuten beginnen Wundsekret abzusondern. Die Anamnese ergibt, dass alle Kinder gestillt wurden und die akuten Beschwerden in jeder Stillzeit nach einigen Wochen aufgetreten sind. Div. Behandlungen, welche auf Soor schließen lassen, wurden durchgeführt. Fr. Omlins Motivation zu Stillen ist sehr groß, jedoch sagt sie, dass das jetzt ihr letzter Versuch bzgl. ihrer Beschwerden sei. Ganz nebenbei erwähnt sie, dass sie an Multiple Sklerose leidet und keine Medikamente einnimmt.
Die weitere Vorgehensweise ist ein Netzwerk zwischen Fr. Omlin, der Stillberaterin, der Dermatologin und der Gynäkologin. Zum Einsatz kommen Hydrogel Pads, eine Cortisonsalbe und auf Wunsch von Frau Omlin die Ringelblumensalbe. Die Haut der Areolen erholt sich in der Folge, noch vor der Geburt des Kindes sind die Mamillen und Areolen wieder intakt. Die Ursache war eine allergische Reaktion auf die Stilleinlagen, welche sich aus dem Umstand, dass die Beschwerden in jeder Stillzeit stets erst ab der Verwendung von Stilleinlagen aufgetreten sind, ergibt.
Fazit für die Stillberatung: Die Stillberaterin leistet oftmals detektivische Arbeit, Hinweise bekommen wir oft in Nebensätzen, manchmal finden wir eine einfache Ursache und in der Folge auch zu einer einfachen Lösung.
2) Fr. Bender hat ihre Tochter Mona per Wunschsectio entbunden, danach musste Mona überwacht werden, wodurch Mutter und Kind für zwei Tage getrennt wurden. Fr. Bender überbrückte diese Zeit mit Abpumpen und stillte dann wieder. Ihre positive Stillerfahrung mit dem ersten Kind motivierte sie, die Stillberaterin aufzusuchen. An der linken Mamillenspitze zeigt sich eine Verletzung, die durch die eingezogene Mamille erschwert abheilen kann. Nach dem Stillen bekommt die aufgerichtete Mamille einen „Mesofix – Ring“ um ein trockenes Abheilen zu ermöglichen. Weitere Maßnahmen sind: Anpassung der Stillposition, Spülung mit physiologischer NaCl-Lösung, Auftragen von Lanolin und das Tragen von Donuts. Nach weiteren zehn Tagen hat sich die Läsion vergrößert und Fr. Bender möchte nun eine Stillpause einlegen und an der linken Brust abpumpen. An der rechten Brust stillt sie weiter, Mona erhält genug Muttermilch und muss nicht zugefüttert werden. Nach vier Wochen Abpumpen ist die linke Mamille vollständig abgeheilt, Fr. Bender kann beidseitig stillen und Mona nimmt ohne Probleme die linke Brust wieder an. Zufällig erwähnt Fr. Bender, dass sie nach der ersten Stillzeit eine Operation zur Korrektur der eingezogenen linken Mamille hatte durchführen lassen. Da durch die Narbenbildung das Gewebe der Mamille weniger elastisch war haben wir hier die Erklärung für die wunde Mamille gefunden. Die Maßnahme des Abpumpens förderte die Elastizität des Gewebes sodass in der Folge keine Verletzungen mehr auftraten.
Fazit für die Stillberatung: Auch hier wurde die Ursache des Problems zufällig gefunden, bleiben wir deshalb aufmerksam gegenüber Bemerkungen der Mütter. Wichtig ist, ihre Wünsche zu respektieren und zu berücksichtigen.
3) Fr. Huber hat ihr erstes Kind Marcel vor drei Wochen entbunden. Inzwischen sind beide Mamillen offen. Sie stillt mit Saughütchen Größe M, spült nach dem Stillen mit physiologischer NaCl-Lösung und versorgt die Mamillen anschließend mit Lanolin. Fr. Huber hatte großes Vertrauen zu ihrer Hebamme, welche auch die Stillberaterin vermittelt hat. Folgende Maßnahmen werden getroffen: Anpassen der Stillposition, Wechsel zu Stillhütchen Größe L, weiterhin Anwendung von physiologischer NaCl-Lösung und Lanolin, Laserbehandlung. Die Mutter möchte keine antiseptische Behandlung. Abpumpen ist bei Fr. Huber nicht beliebt, sie pumpt nur selten ab und füttert Formulanahrung mit der Flasche zu. Eine deutliche Besserung tritt an der linken Mamille nach einer Woche ein, an der rechten Mamille nach zwei Wochen. Nach der vollständigen Abheilung füttert Fr. Huber einige Zeit Formularnahrung mit Sonde und Spritze an der Brust zu. Das Erlebnis des schmerzfreien Stillens, die Nähe zu Marcel sind Frau Huber wichtig als positive Erinnerung für mögliche weitere Stillbeziehungen.
Fazit für die Stillberatung: Die Dokumentation der Behandlung wunder Mamillen ist wichtig, aber auch schwierig. Um gute Bilder zu erhalten braucht es das richtige Licht, am besten wird immer aus der gleichen Perspektive fotografiert. Es muss unbedingt eine schriftliche Einverständniserklärung der Mutter eingeholt werden. Die Dokumentation sollte auch eine Vermessung der Wunde mit einem Maßstab und eine Schmerzskala beinhalten. Auch hier ist Zuhören für die Therapie hilfreich. Was möchte die Mutter, was möchte sie nicht? Weitere Maßnahmen zur Behandlung wunder Mamillen unter https://www.stillen-institut.com/ de/wunde-mamillen.html
4) Frau Burg ist Marktfrau am Gemüsemarkt in Luzern und bereits zehn Tage nach der Geburt von Linda wieder am Markt tätig. Linda ist, wie bereits die beiden anderen Kinder von Fr. Burg, zu früh (in der 30. Schwangerschaftswoche) zur Welt gekommen. Die Herausforderung besteht nun darin neben der strengen Arbeit regelmäßig Muttermilch abzupumpen. Fr. Burg braucht an diesem ersten Markttag Hilfe beim Zusammenbau des Pumpzubehörs, einen Ort in der Nähe zum ungestörten Abpumpen, einen Überbringer der Muttermilch. Hilfe bekommt sie durch die zufällig vorbeikommende Stillberaterin; der zuerst geplante Ort, der eigene Lieferwagen, entfällt, da Strom fehlt – welche Erleichterung, im Restaurant gleich nebenan gibt es an jedem Tisch eine Steckdose. Der Vater bringt die abgepumpte Muttermilch direkt zu Linda in die Kinderklinik. Sechs Monate später wird Linda ausschließlich gestillt und von ihrem Vater zum Stillen zu ihrer Mutter zum Markt gebracht. In Erinnerung bleibt Fr. Burg allerdings die, für sie verletzende, Aussage einer Fachfrau: „Diese Mutter macht was sie will“, übersetzt heißt das, sie stillt nach Bedarf! Nachhaltig ist hingegen die zwei Jahre geglückte Stillbeziehung.
Fazit für die Stillberatung: Neben dem Fachwissen, das die Stillberaterin vermitteln soll, helfen ebenso oft praktische Hilfestellungen. Die Mutter ist dankbar für das offene Ohr. Sie fühlt sich angenommen, wenn ihr Gegenüber ihr unvoreingenommen zuhört, aber auch adäquat handelt.
Christa Herzog zeigt mit ihren Fallbeispielen auf, dass wir bei jeder Stillberatung etwas dazulernen können und somit die Möglichkeit haben unseren Erfahrungsschatz stetig zu vergrößern. Eine hilfreiche Frage an Mütter ist laut Christa Herzog: „Was hat Ihnen am meisten geholfen?“, sie bringt oft unerwartete, interessante Antworten. In diesem Sinne bleiben wir offen, neugierig und lassen wir uns immer wieder überraschen.