News Winter 2023

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Eine Muskelhypotonie ist ein Symptomkomplex und zeichnet sich durch eine verminderte Grundspannung der quergestreiften Muskulatur aus. Sie kann angeboren oder erworben und in seltenen Fällen transitorisch sein. Üblicherweise ist sie aber bleibend, sie verändert sich nur.

Die Ursachen können zentral, wie Frühgeburtlichkeit, genetische Besonderheiten, z.B. Trisomie 21, Stoffwechselstörungen, Hypoglykämie, Elektrolytstörungen, Fehlbildungen des ZNS, … oder peripher, wie etwa diverse Muskelatrophien oder Neuropathien, sein.

Die Muskelhypotonie beeinflusst den psychomotorischen Antrieb und das Explorationsverhalten des Kindes. Sie erschwert die Kontrolle der Körperhaltung (=posturale Kontrolle), die Balance und die motorische Geschicklichkeit. Es muss viel Energie aufgewendet werden um eine muskuläre Grundspannung aufzubauen, aus der dann überhaupt erst gezielte Bewegungen hervorgebracht werden können. Sie verzögert die sensomotorische Entwicklung, Bewegungsübergänge werden ausgelassen. Oft findet man auch Auffälligkeiten im Bereich der frühkindlichen Reflexe. Wenn diese Reflexe eigentlich integriert werden müssten um von bewusster Bewegung abgelöst zu werden, so funktioniert dieser Prozess bei hypotonen Kindern nicht. Die muskuläre Hypotonie hat auch Auswirkungen auf die sensorische Integration. Die Tiefensensibilität sowie taktile und vestibuläre Wahrnehmungen sind davon betroffen und beeinflussen auch das Körperschema bzw. Körperbild. Die Muskelhypotonie kann nicht nur die psychomotorische, sondern auch die sozio-emotionale Entwicklung verzögern.

Typische Symptome eines hypotonen Babys

  • kann den Blickkontakt trotz liebevoller Zuwendung kaum oder nicht halten, wendet den Blick nicht auf interessante Dinge (auch die Augenmuskeln sind von der Hypotonie betroffen)
  • Hände werden nicht zur Mitte gebracht
  • in Rückenlage liegen die Arme und Beine wie auseinandergefallen auf der Unterlage, es strampelt wenig
  • beim Hochnehmen gehen die Beine nicht automatisch in die Anhock- Spreizhaltung, sondern hängen nach unten
  • der Säugling nimmt weder Hände noch Füße oder Gegenstände in den Mund
  • das Ausbleiben der Hand-Mund- Koordination ist ein sicheres Zeichen für Muskelhypotonie
  • ein Anheben der Oberarme in Rückenlage ist nicht möglich

Dies ist nur eine Auswahl an Symptomen (ausführlichere Beschreibung unter www.hypotonie.at), die uns aber in der Beratungssituation sofort hellhörig machen müssen, wenn sie uns auffallen.

Was erschwert insbesondere das Stillen eines hypotonen Babys?

  • Fehlender Haltungshintergrund
  • Erschwerte Kopfkontrolle
  • Schläfrigkeit und schnelle Ermüdbarkeit
  • Schwaches Saugen
  • meist ungenügender Mundschluss
  • häufigeres Verschlucken
  • verstärkter Zungenvorstoß beim Stillen
  • ev. fehlendes Bonding und frühes Anlegen aufgrund medizinischem Grundproblem
  • Stress und erschwerter Start ins Leben durch notwendige medizinische Interventionen
  • daraus resultierend – eine geringere Nahrungsaufnahme und geringe Gewichtszunahme

Wichtige allgemeine Faktoren für einen möglichst guten Start in die Stillbeziehung

  • Frühe und fachlich qualitative Stillberatung
  • Kombination mit Ergo- oder Physiotherapie, Logopädie
  • Information bereits in der Schwangerschaft, wenn ein Kind mit muskulärer Hypotonie erwartet wird
  • Erfahrungsaustausch und Vernetzung betroffener Eltern – Stillgruppen, Selbsthilfegruppen

Was können wir in der Stillberatung unterstützend anbieten?

  • Lagerung und Handling (Hände zur Mitte, Halt geben)
  • Intuitives Stillen, DanCer Hold, ausführliche Anleitung beim korrekten Anlegen
  • Förderung von Bonding, Körperkontakt, Schmetterlingsmassage
  • Allgemeine Maßnahmen zum Optimieren des Stillmanagements: Brustmassage, Brustkompression, Einsatz von Brusternährungsset, Pumpe

Die Rota Therapie

Die von der deutschen Physiotherapeutin Doris Bartel begründete Rota® Therapie (Rota kommt von Rotation) ist ein neurophysiologisches Behandlungsprinzip, welches die Grundzüge der motorischen Entwicklung zum Thema hat. Es geht darum, den Muskeltonus zu normalisieren, egal ob hypo- oder hyperton. Die Bewegung soll durch Rotation im Raum und in der Wirbelsäule gut koordiniert und ohne Reflexmuster (z.B. nicht integrierte frühkindliche Reflexe oder auch erworbene Bewegungsmuster, wie das typische Überstrecken der hypotonen Kinder nach hinten) erfolgen.

Die Rotationsübungen werden am Schoß der therapierenden Person durchgeführt, die Eltern so eingeschult und sie können dann die Übungen in ihren Alltag integrieren.

Eine Säule der Rota® Therapie ist auch die Mundbehandlung (da Mundschluss und Zungenruhelage oft nicht adäquat funktionieren) z.B. mit Vibrationsstift (!! nur durch Therapeuten!!) In der Rota® Therapie gilt das Credo: Arme zusammen, Beine getrennt. Wird ein Bein gehoben so kommt es in der Wirbelsäule zu einer Rotation. Durch diese Asymmetrie an den Beinen kann eine bessere posturale Kontrolle aufgebaut werden und Überstreckungstendenzen wird entgegengewirkt, denn Überstrecken ist bei einer Rotation in der Wirbelsäule nicht möglich. Auch beim Stillen sollen die Hände vor die Brust des Kindes gebracht werden, ein Bein gestreckt und eines nach oben gelagert werden.

Die sensorische Integrationstherapie (nach Ayres)

Die sensorische Integration ist die Fähigkeit unseres Gehirns, Sinnesinformationen aus den verschiedenen Sinnessystemen zu einer ganzheitlichen Wahrnehmung zu verarbeiten, damit wir uns rasch und automatisch anpassen und zweckmäßig handeln können.

Bei 6–15% aller Kinder funktioniert dieser Prozess nicht optimal. Eine Verbesserung kann durch eine gezielte Therapie erreicht werden.

Orofaziale Regulationstherapie (nach Castillo Morales)

Diese Therapie wurde primär für Menschen mit muskulärer Hypotonie oder sensomotorischen Störungen entwickelt. Castillo Morales sagte, dass erst dann im orofazialen Bereich genug Spannung aufgebaut werden kann, wenn der restliche Körper durch eine gewisse Positionierung gut gehalten ist, nämlich dann, wenn die Sitzbeinhöcker und die Füße einen Kontakt bekommen. Dies kann entweder durch die Hände der Mutter oder ein Kissen erfolgen.

Castillo Morales arbeitete auch intraoral. Dieses Vorgehen muss aber sehr genau hinterfragt und kritisch abgewogen werden, da der Mund eines Babys eine sehr sensible und intime Zone ist und viele hypotone Kinder im oralen Bereich unzählige Interventionen über sich ergehen lassen müssen.

Abschließend sollten noch weitere therapeutische Tools, die hypotonen Babys zugutekommen, nicht außer Acht gelassen werden. Dazu zählen die Craniosacraltherapie, Osteopathie, EEH und das Tragen (unerlässlich ist ein richtiges Tragen, gut gebunden, gut gestützt).